[:de]Lilly’s Klient muss ein wohlhabender Mann gewesen sein, der sich Dienstboten leisten konnte. Obgleich keine Sklaven, wurden Dienstboten als zum “Besitz” ihres Dienstherren gehörig angesehen und oft bestand ihr Verdienst in nicht vielmehr als einem Schlafplatz und einer warmen Mahlzeit am Tag.
Aus welchem Grund auch immer, war der Dienstbote, ein 19 jähriger junger Mann, plötzlich abgehauen, keiner wusste wohin und ob und wann er zurückkommen würde.
Das Fragehoroskop ist auf den ersten Blick ziemlich simpel. Der wirklich interessante Teil ist wie so häufig bei Lilly im Detail versteckt.
Hier ist das Fragehoroskop von S. 390:
Während der Fragesteller selbst mit dem 1. Haus identifiziert wird,[1] assoziiert Lilly den weggelaufenen Dienstboten mit dem Herrscher des 6. Hauses. Dieses Haus wird allgemein mit Tätigkeiten in abhängiger Stellung in Verbindung gebracht, also mit Angestellten, die für ihren Arbeitgeber (10. Haus) Dienst- oder Serviceleistungen erbringen, z. B. Krankenschwestern, Sekretärinnen, Bankangestellte, etc.[2]
Das 6. Haus befindet sich im Skorpion, wird also von Mars beherrscht. Mars befindet sich im 1. Haus, einem Eckhaus.
Der Mond beschreibt den Gegenstand der Frage als Co-Signifikator[3] und steht ebenfalls im 1. Haus. Eckhäuser (1, 4, 7, 10) beschreiben ein verlorenes Objekt oder eine vermisste Person als sich “in der Nähe befindlich”.[4]
Lilly sah, dass der Mann das Haus am Sonntag vorher verlassen hatte, während sich der Mond in den Zwillingen befand. Der Mond gibt hier die “Wanderrichtung” an. Luftzeichen weisen generell in die westliche Richtung (Waage Westen, Wassermann Nordwesten, Zwillinge Südwesten).[5]
Auch Merkur, welcher der natürliche Herrscher von Dienstboten ist,[6] steht in einem westlichen Zeichen.
Lilly folgerte entsprechend, dass der Dienstbote nach Westen gegangen war.
Auch zum Fragezeitpunkt befand sich der Mann noch westlich vom Haus seines Arbeitgebers, weil Mars ebenfalls in einem westlichen Zeichen steht. Außerdem war Mars ebenso stark wie der Mond (wäre der Mond stärker gewesen als Mars, hätte Lilly den Mond zum Finden der Richtung genommen).
- Beiden Signifikatoren, Mond (Dienstbote) und Merkur (Dienstherr) fehlt nur 1°, bevor ihr Trigon perfekt wird, weshalb er davon ausging, dass Dienstherr und Dienstbote einen Tag später wieder zusammen kommen würden.
- Der Mond stand im eigenen Zeichen im 2. Haus, was den Mann als “Besitz” seines Dienstherrn beschrieb, weshalb der Klient seinen “Besitz” wieder zurückhaben würde.
- Der Mann erfreute sich bester Gesundheit, weil sich der Mond in perfektem Trigon zur Sonne befand.
- Beide Planeten befanden sich in der “aufgehenden “Horoskophälfte”.[7]
- Außerdem war sich Lilly sicher, dass der gesuchte Mann sich nur drei oder vier Haüser westlich vom Anwesen seines Dienstherrn befand, weil Mars in unmittelbarer Nähe zum AC (Dienstherr) stand.
Der Mann kam am nächsten Freitag zurück und gab an, nach Kingston upon Thames gegangen zu sein. Es war also nicht ein Tag, sondern drei Tage. Mars (Dienstbote) ist nur 3°07’ von seinem nächsten Zeichen entfernt. Ein Zeichenwechsel beschreibt immer eine Änderung des Status. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Transitmond außerdem im Löwen und somit im 4. Haus des Fragehoroskops.
Lilly hatte zwar recht damit, dass der Mann nicht weit gekommen war, hatte sich aber im Detail geirrt: der Mann war nicht nur ein paar Häuser weiter. Allerdings, und jetzt wird es spannend, hatte er seine eigene Regel nicht beachtet:[8]
Betrachte den Herrscher des [in diesem Fall] 6. Hauses und den Stundenherrscher und beachte, wie viele Grade sie voneinander entfernt sind. Genauso viele Meilen ist er von dem Ort entfernt, von dem er weggegangen ist.
Der Mond ist der Stundenherrscher im Fragehoroskop. Der Abstand zwischen Mond und Mars beträgt 21°.
London und Kingston sind 11,9 Meilen von einander entfernt. Wenn wir dann noch die damals unterschiedliche Strassenlänge hinzunehmen, können wir sehen, dass der Mond – Stundenherrscher Abstand eine erstaunlich genaue Angabe macht!
(Lilly rechnete zwar in km, aber 11,9 Meilen entsprechen übrigens 20km).
Wie immer steckt der Teufel im Detail.
Ps. Zu diesem Bespielhoroskop gibt es noch einen 2. Teil. In “Dick oder Dünn?” Geht es um die Frage, wie der Körperbau einer gesuchten Person festegestellt werden kann. Das ist viel spannender, als es zunächst klingt!
[1] William Lilly, Christian Astrology, S. 123
[2] Lilly, S. 53, 54
[3] Lilly, S. 328
[4] Lilly, S. 345
[5] Lilly, p. 95
[6] Lilly, S. 391
[7] Die aufgehende Horoskophälfte umfasst die Häuser 4, 3, 2, 1, 12, 11, 10. Planeten in dieser Hälfte werden als aktiv angesehen, während solche in der ”untergehenden “ oder absteigenden Hälfte eher als passiv bewertet werden.
[8] Lilly, S. 330
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